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Baum des Jahres 2018

Esskastanie (Marone) – Castanea sativa

Die Esskastanie, auch als Marone oder Edelkastanie bekannt, ist ein sommergrüner Laubbaum aus der Gruppe der Kastanienpflanzen. In Europa und Asien weit verbreitet, wurde die Esskastanie einst von den Römern nach Mittel- und Nordeuropa gebracht. Die stärkereichen Nuss-Früchte dienten in vielen Regionen über Jahrhunderte als Grund-Nahrungsmittel der Landbevölkerung. Ein großer Baum mit 150 bis 200 Kilogramm Früchten konnte einen Menschen das Jahr über ernähren. Honig, aber auch Rinde, Blüten und Früchte fanden vielerorts Verwendung in der Volksmedizin und werden auch heute noch in der Naturheilkunde eingesetzt.

Aufgrund der Ähnlichkeit ihrer Früchte und der stacheligen Fruchtschale wird oft eine botanische Verwandtschaft mit der Rosskastanie angenommen. Dies stimmt so jedoch nicht. Die Rosskastanien gehören in die Kategorie der Seifenbaumgewächse. Die Esskastanie ist eher mit Buchen und Eichen verwandt.

In Deutschland ist die Ess-Kastanie – von wenigen regionalen Ausnahmen abgesehen – eine seltene Baumart, doch sie ist eine der eindrucksvollsten: Mit ihren auffälligen grünlich weißen Blüten-Kätzchen kann der Baum bis zu 30 Meter hoch werden und ein Alter von 200 Jahren und mehr erreichen. Die ersten Blüten zeigen sich mit einem Baumalter von 20 bis 30 Jahren. Die männlichen und weiblichen Blütenorgane befinden sich in unterschiedlichen Blüten, jedoch an einer Pflanze.

Die essbaren Früchte (Nüsse) befinden sich wie bei der Rosskastanie in einer stacheligen Fruchtschale. Oft finden sich zwei Kastanien in einer Fruchthülle. Durch den hohen Stärke-, Zucker- und Wassergehalt sind die frischen Früchte jedoch leicht verderblich. Der hohe Kohlenhydratgehalt unterscheidet die Kastanien von den meisten anderen Nüssen, die vorwiegend Fette enthalten und dadurch länger haltbar sind. Um die Kastanien-Nüsse länger verwenden zu können, werden sie vor der Lagerung traditionell fermentiert oder industriell konserviert. Geröstete oder kandierte Maronen werden mancherorts auf den Weihnachtsmärkten als Delikatesse angeboten.

Doch die Früchte mit ihrem zart süßen, nussigen und etwas mehligen Geschmack können noch mehr: Sie finden Verwendung in Form von Kastanienpüree oder als Salatzutat, werden als Essensbeilage gekocht, in Zuckersirup eingelegt und kandiert und zu Süßigkeiten und Eiscreme verarbeitet, aber auch zur Likör- und Bierherstellung genutzt. Das aus den getrockneten und geschälten Früchten hergestellte Mehl wird zu Teigwaren verarbeitet. Da Kastanien glutenfrei sind, kann das Mehl von Menschen mit Unverträglichkeiten (Zöliakie, einheimische Sprue) als Getreide-Ersatz verwendet werden.

Auch Kastanienhonig ist eine leckere Sache. Der kräftig herbe und im Nachgeschmack etwas bittere Honig stammt häufig aus ausgedehnten Maronenwäldern wie es sie im Pfälzer Wald oder in Weinanbaugebieten entlang des Rheins oder der Elbe gibt. Auch der sächsische Staatsforst widmet sich aktuell der Aufzucht von Esskastanien, damit sie in verschiedenen Forstbezirken an Waldränder und Waldwege sowie zur Ergänzung der Eichenbestände gepflanzt werden können. Die Idee dahinter ist jedoch weniger die Gewinnung von Honig oder Früchten sondern ein möglicher Einsatz als neuer Nutzholzbaum.

Das Holz der Edelkastanie hat einen warmen braunen Ton. Es ist biegsam und leicht zu bearbeiten (Bau von Wein- und Likörfässern, Möbel, Fenster- und Türrahmen). Da das Holz im Freien auch ohne chemische Behandlung weitgehend witterungs- und fäulnisbeständig ist, wird das Holz von Hochwald-Bäumen auch für Telegraphenmasten, Decken- und Dachbalken, für Eisenbahnschwellen, im Schiffbau sowie bei Hang- und Lawinenbauten eingesetzt. Hölzer von kleineren Bäumen werden gern zu Weidepfosten, Gartenzäunen oder Weinbergpfählen verarbeitet. Da Holz und Rinde der Ess-Kastanie einen ungewöhnlich hohen Gehalt an Gerbsäuren haben und auch der Brennwert des Holzes recht hoch ist, wurden die Bäume in der Vergangenheit auch als Brennholz beziehungsweise zum Gewinnen der Gerberlohe für das Gerben von Leder genutzt.

Die Edelkastanie stand über viele Jahrhunderte in hohem Ansehen. Bereits im Jahre 641 findet sie sich in einer Liste der geschützten Bäume des Langobarden-Königs Rothar. Auch Karl der Große soll Ende des 8. Jahrhunderts ihren Anbau auf seinem Königsgut angeordnet haben. Viele Klöster ließen Edelkastanien in geeigneten Lagen pflanzen.

Doch mit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert, dem zunehmenden Holzexport und hierbei eingeschleppten Pilzen kam es zu einem großflächigen Rückgang der Kastanienwälder. Auch wenn sich die überlebenden Bestände derzeit etwas erholen und die Anbauflächen durch Hybridtechnologien wieder wachsen, ist der Baumbestand weiterhin stark gefährdet. Ursache hierfür sind hauptsächlich Pilzerkrankungen -der sogenannte Kastanienrindenkrebs und die Tintenkrankheit- sowie die Verbreitung von Insekten, die sich von der Edelkastanie ernähren. Hierzu gehören der Esskastanienbohrer, der Kastanienwickler und die seit 2002 auch in Europa nachgewiesene Kastaniengallwespe.

Für das Jahr 2018 wird mit der sonne- und wärmeliebenden Esskastanie einer Baumart Aufmerksamkeit geschenkt, die in unseren Wäldern eher selten anzutreffen ist. Sonne und Wärme brauchen auch wir Menschen, um uns wohl zu fühlen. Und vielleicht dient die Esskastanie ja tatsächlich besonders den empfindsamen Menschen als Projektionsfläche, wie dies einst Hermann Hesse in „Narziss und Goldmund“ so treffend beschrieben hat.

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