Flatterulme

Flatter-Ulme (Ulmus laevis)

Wer die langgestielten weiß-rotvioletten Blütenbüschel einmal im Wind hat tanzen sehen, der ahnt, woher die Flatter-Ulme ihren Namen hat. Von ihren Geschwistern der Feld-Ulme und der Berg-Ulme unterscheidet sich die Flatter-Ulme jedoch nicht nur in Bezug auf ihre Blüten. Auch die Struktur und Inhaltsstoffe der Rinde sowie die in Europa einmalig vorkommende Brettwurzeln machen ihre Besonderheit aus.

Diese Anders- oder Einzigartigkeit scheint die Flatter-Ulme zumindest vor dem zerstörenden Befall durch einen mikroskopisch kleinen Pilz beschützt zu haben. Denn der Ulmensplintkäfer, Hauptüberträger dieses Pilzes, scheint die Flatter-Ulme nicht als Ulme zu erkennen und fliegt sie daher nicht an. So kommt es einem Wunder gleich, wenn Flatter-Ulmen in unmittelbarer Nachbarschaft infizierter und absterbender Feld-Ulmen stehen und selbst dennoch keine oder nur geringfügige Erkrankungssymptome zeigen. Ob diese Resistenz wohl damit zusammenhängt, dass die Flatter-Ulme in alten Zeiten als „heiliger Baum der Götter“ verehrt wurde und als Aufenthaltsort der Träume galt?

Doch auch die Flatter-Ulme ist in ihrem Fortbestehen stark gefährdet und steht auf der Roten Liste. Einzig in den sogenannten östlichen Bundesländern und in einigen Flusstälern von Rhein, Main und Donau gibt es noch größere Baumbestände. Grund für den Bestandsrückgang ist der Verlust der natürlichen Lebensräume des Baumes, nämlich der Bruch- und Auenwälder. Auf diesen flachgründigen und besonders nassen Böden bildet die Flatter-Ulme im unteren Stammbereich sogenannte Brettwurzeln aus. Diese Stützen ragen wie Konsolen oder Rippen aus dem Boden heraus und sind sternförmig um den unteren Stammteil angeordnet. Diese Wurzelform ist sonst nur in Regenwäldern anzutreffen. Mittels dieser Wurzeln erhöhen die Bäume ihre Standfestigkeit im feuchten Grund und bekommen hierüber hinreichend Sauerstoff, der in feucht- nassen Böden oder bei Hochwasser Mangelware ist. Unterhalb der Brettwurzeln finden sich feinere Wurzelgeflechte, über die der Baum seine sonstige Nahrung aus dem Boden bezieht.

Die Flatter-Ulme kann jedoch mehr, sie scheint ein Anpassungskünstler an veränderte Umweltbedingungen zu sein. Obwohl sie das Wasser liebt, kommt die Flatter-Ulme auch auf trockneren Standorten zurecht und war in früheren Zeit wie die Linde ein beliebter Allee-Baum. Beobachtungen zufolge scheint sich die Flatter-Ulme auch tolerant gegenüber städtischen Belastungen wie Trockenstress, Luftverschmutzung, Streusalz und Bodenverdichtung zu erweisen. Die Chance ist groß, dass Flatter-Ulmen innerhalb von Städten wieder häufiger auf Plätzen, Fußgängerzonen und in Parks als „Ersatz“ für weggestorbene Bäume angepflanzt werden. Als Straßenbaum ist sie jedoch weniger geeignet, das ihr Flachwurzelsystem den Bodenbelag anheben kann.

Die beste Art, die Flatter-Ulme mit ihrer stark zerklüfteten, beinahe archaisch und uralt wirkende Rinde zu schützen wäre es jedoch, wenn trockengelegte Feuchtwald-Standorte wieder geflutet und einstige Überflutungsräume an den Uferlandschaften wieder geöffnet würden. Damit hätten sowohl der Ulmen-Zipfelfalter als auch alle anderen auf Ulmen spezialisierte Lebewesen wie Insekten, Spinnen und Pilze eine Überlebenschance.

Die Flatter-Ulme kann eine Wuchshöhe von 35 Meter und einen Stammdurchmesser bis zu 2 Metern erreichen. Unter günstigen Bedingungen können Flatter-Ulmen bis 250 Jahre, selten 400 Jahre alt werden. Die vermutlich älteste und dickste Flatter-Ulme Deutschlands steht im nordwestlichen Brandenburg auf einem ehemaligen Friedhof in Gülitz. Das dortige Baumwesen wird auf 400 bis 500 Jahre geschätzt und weist einen beeindruckenden Stammumfang von knapp 10 Metern auf.

Schon seit alten Zeiten hat der Mensch Ulmen genutzt – zum einen als Rohstoff für Gebrauchsgegenstände und zum anderen in der Viehhaltung, aber auch in der Naturheilkunde und in spirituellen Zusammenhängen. So wurde beispielsweise aus der Rinde der Flatter-Ulme hochwertiger Bast gewonnen, da sich die Bastfasern bei dieser Ulmenart besonders leicht aus der Rinde herauslösen lassen. Aus dem zäh-elastischen Holz wurden einst wohl auch Jagdbögen und andere Gerätschaften mit hoher mechanischer Beanspruchung, etwa Glockenstühle, Räder, Karren, Kutschen, Mühlen oder Skier gefertigt. Es eignet sich aufgrund seiner Zähigkeit und schwierigen Spaltfähigkeit auch als Konstruktionsholz für Treppen und Brücken. Steht das Holz im Wasser, ist es recht witterungsbeständig und daher neben Eichenholz auch für Pfahlbauten geeignet. Mitunter weist das Holz der Flatter-Ulme auch sehr dekorative Maserungen auf. Dann ist so ein Flatter-Ulmenstamm auch ein sehr begehrtes und teures Material zur Herstellung von Pfeifenköpfen, Schreibwerkzeug oder für Täfelungen und Parkettböden. In der Holzbranche wird das Ulmenholz „Rüster“ genannt.

Da die ab Mitte April austreibenden Blätter stark eiweißhaltig sind, wurde die Flatter-Ulme auch als hochwertiges Viehfutter genutzt. Hierzu wurden belaubte Zweige noch vor dem Herbst abgeschnitten, getrocknet und im Winter dann verfüttert.
Die Rinde enthält viele Wirkstoffe, die zur Behandlung von Entzündungen, Wunden oder Durchfall-Erkrankungen genutzt werden können. Traditionell wurde diese so auch zur Linderung rheumatischer Beschwerden oder Hautausschlägen verwendet. Die Früchte der Ulme, die Nüsse, sind essbar oder werden zu Öl verpresst. Auch in der Bachblüten-Therapie begegnet die Ulme: sie soll nach Dr. Edward Bach (1886–1936) insbesondere jene Menschen unterstützen, die sich trotz besseren eigenen Wissens einer Aufgabe nicht gewachsen fühlen. Sie wird auch als Notfall-Mittel bei drohendem innerem Zusammenbruch oder in hohen Belastungs-Situationen empfohlen.

So wurde die Ulme in früheren Zeiten auch mit schützenden Eigenschaften verbunden. So solle sich, wer sich mit Ängsten oder Depressionen plagt, unter einen Ulmenbaum begeben, da unter einer Ulmenkrone alles Negative ferngehalten werde. Auch wurde früher unter Ulmen Recht gesprochen oder Gottes Wort verkündet. Ulmen gelten noch heute als sogenannte Kraftorte.

Foto: © farbstich AdobeStock